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Pflicht zur Offenlegung von aggressiver Steuerplanung unter DAC 6

Sitz des Europäischen Rates, Brüssel, Architekt Sir Philippe Samyn

Regeln zur Offenlegung von Konstrukten aggressiver Steuerplanung nach DAC 6


Privatkunden

Auf der Suche nach Kennzeichen


Nach jahrelanger Vorbereitung durch die OECD führen die EU-Mitgliedstaaten derzeit obligatorische Offenlegungsvorschriften (MDRs) für den automatischen Austausch potenziell aggressiver grenzüberschreitender Steuerplanungskonstrukten ein. DAC 6 ist ein Mindeststandard, der als "Frühwarnsystem" konzipiert ist, um inländische Steuerbehörden bei der Bekämpfung von Steuervermeidung zu unterstützen. Angesichts des breiten Anwendungsbereichs der Kennzeichen fällt selbst Steuerexperten die Interpretation von DAC 6 schwer. Es bleibt abzuwarten, ob Nichtfachleute auf der Höhe der Gesetzgebung sind…


DAC 6 hat seinen Ursprung in den Mandatory Disclosure Rules (2015) der OECD, deren Ziele darin bestanden, (i) Steuerverwaltungen frühzeitig über potenziell aggressive Steuerplanungspraktiken zu informieren (ii) deren Förderer und Nutzer zu identifizieren und (iii) dem "Steuervermeidungsmarkt" als Abschreckung zu dienen.


MDRs haben eine lange Vorgeschichte: in den USA (1984), Kanada (1989), Südafrika (2003), Grossbritannien (2004), Portugal (2008) und Irland (2011).


Was ist Steuervermeidung?


Steuervermeidung liegt nach einer klassischen Definition vor, "wenn Personen ihre Angelegenheiten so regeln, dass Schwächen oder Unklarheiten im Steuerrecht ausgenutzt werden". Der Europäische Gerichtshof (EuGH) definiert Steuervermeidung als "völlig künstliche Gestaltungen zur Umgehung des nationalen Steuerrechts".


Während sich die Begriffe "Steuerplanung" oder "Steuerminderung" im Allgemeinen auf akzeptable Praktiken beziehen, von steuerlich attraktiven Optionen zu profitieren, bezeichnet der Begriff "Steuervermeidung" Win-Win-Ergebnisse für den Steuerzahler, die vom Gesetzgeber eindeutig nicht beabsichtigt sind, und klar gegen den Geist des Gesetzes verstösst.


Im Zeitalter der Nulltoleranz


Trotz der Einführung des CRS-Frameworks im Jahr 2014 hat ein koordiniertes Netzwerk aus Bloggern, investigativen Journalisten (ICIJ, OCCRP), spezialisierten Medien (Guardian, Süddeutsche, Tagesanzeiger usw.), Lobbygruppen (Tax Justice Network, Global Witness, Oxfam) weiteren Druck auf die OECD ausgeübt, um eine Nulltoleranzstrategie für Steuervermeidung im Rahmen des CRS durchzusetzen.


Zum Beispiel ermutigt das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) Whistleblower auf seiner Website Leak to Us, "alle Formen von Inhalten sicher hochzuladen, die ​von​ ​öffentlicherm Interesse sein könnten​ –​ ​Dokumente, ​Fotos, Videos, Stories". Um Hinweise auf Fehlverhalten zu sammeln, nutzt die Whistleblowing-Plattform des Guardian den anonymen Router Tor – der ironischerweise selbst als "dunkle Ecke des Webs" bezeichnet wird.


Die vom ICIJ und anderen ausgenutzten Lecks haben zu einem fast konstanten Nachrichtenfluss von Offshore-Enthüllungen geführt, in denen wenig sachkundige investigative Journalisten und Blogger ohne jegliche Strafverfolgungserfahrung in flashigen Bildern über die Relevanz und Schwere eines verstreuten und teilweise ungeprüften Datensatzes Spekulationen anstellen:


2013       Offshore Leaks

2014       Jersey Files

2014       Luxembourg Leaks

2015       Swiss Leaks

2016       Panama Papers

2020       Luanda Leaks

2020       Cyprus Leaks

2020       FinCen Leaks


Indem sie die Interessenvertretung und den Mediendruck hoch hielten, haben Interessengruppen wie ICIJ und TJN effektiv zur Entstehung einer Kultur des Leaking auf allen sozialen Ebenen beigetragen, die im Mai 2017 mit der Einführung der OECD-eigenen Whistleblower-Plattform gipfelte. Sie ermöglicht interessierten Parteien "potenzielle Pläne, Produkte oder Strukturen zur Umgehung des CRS" auf anonymer Basis über das Automatic Exchange Portal der OECD zu melden.

Was ist DAC6?


Nach der EU-Richtlinie über den verpflichtenden automatischen Informationsautausch über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (DAC 6) müssen Intermediäre (Wirtschaftsprüfer, Berater, Rechtsanwälte, Banken) und, falls nicht vorhanden, der Steuerpflichtige selbst aggressive Steuerplanungskonstrukte (seit dem 25. Juni 2018) mit einer grenzüberschreitenden Dimension (mit mehreren europäischen Mitgliedstaaten oder einem Mitgliedstaat und einem Drittland), die bestimmte Kennzeichen (d.h. qualifizierende Merkmale) aufweisen, innerhalb von 30 Tagen an ihre inländischen Steuerbehörden übermitteln.


Die europäischen Mitgliedstaaten müssen dann das Konstrukt kategorisieren (mit einer Systemreferenznummer) und die wichtigsten Merkmale des Konstrukts über das Gemeinsame Kommunikationsnetz (CCN) der EU vierteljährlich mit allen anderen europäischen Mitgliedstaaten austauschen, insbesondere:


  • Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Wohnsitz, TIN des Vermittlers / Steuerpflichtigen;
  • Qualifizierende(s) Kennzeichen des Konstrukts;
  • Funktionsweise des Konstrukts, Handelsname, z.B. "Goldenes Visum" (aber "ohne Offenlegung eines Geschäfts-, Betriebs- oder Berufsgeheimnisses");
  • das (erwartete) Umsetzungsdatum der Konstrukts;
  • die einschlägige inländische Rechtsgrundlage des Konstrukts;
  • der Wert des Konstrukts (zum Beispiel erwartete Steuereinsparungen usw.);
  • Angabe des europäischen Mitgliedstaats, der voraussichtlich vom Konstrukt betroffen sein wird;
  • Erwähnung einer anderen Person in einem europäischen Mitgliedstaat, die wahrscheinlich vom Konstrukt betroffen ist.


Auswirkungen der Berichterstattung nach DAC 6


Die Meldung stellt keine Feststellung von Steuerumgehung dar. Umgekehrt bedeutet die Nichtreaktion der Steuerbehörden auf ein Konstrukt nicht dessen Akzeptanz.


Vielmehr ermöglichen die im Rahmen von DAC 6 erhobenen Daten den inländischen Steuerbehörden (i) Gesetzeslücken schnell zu schliessen (ii) Risiken bei der Durchführung von Steuerprüfungen zu bewerten und (iii) Kommunikationsstrategien mit den Steuerzahlern zu entwickeln (indem bestimmte auf einer roten Liste aufgeführten Konstrukte als zur Abschreckung dienen und bestimmte andere Konstrukte in öffentlichen Steuerwarnungen und Spotlights erscheinen).


Strafen nach DAC 6


Die Strafen für unvollständige, verspätete oder nicht gemeldete Meldungen sind auf £1'000'000 (Vereinigtes Königreich), €830'000 (Niederlande), €250'000 (Luxemburg), €100'000 (Belgien, Frankreich), €50'000 (Österreich, Dänemark), 25'000 € (Kroatien, Deutschland), €20'000 (Zypern, Italien, Malta), €15'000 (Finnland, Ungarn).


Definition eines Intermediärs nach DAC 6


Vermittler sind EU-Personen, die (i) ein meldepflichtiges grenzüberschreitendes Konstrukt konzipieren, vermarkten, organisieren oder zur Umsetzung bereitstellen oder deren Umsetzung verwalten oder (ii) einem solchen Vermittler Hilfestellung, Unterstützung oder Beratung leisten.


Rechtliches Privileg unter DAC 6


Anwaltsgeheimnis (LPP): Die europäischen Mitgliedstaaten müssen LLP gemäss den jeweiligen nationalen Gesetzen respektieren. Qualifizierte Vermittler, die LPP beanspruchen, müssen jedoch unverzüglich jeden anderen Vermittler oder den betreffenden Steuerpflichtigen über ihre jeweiligen Meldepflichten informieren.


Relevante Steuerzahler nach DAC 6


Zu den relevanten Steuerpflichtigen zählen "jede Person, der ein meldepflichtiges Konstrukt zur Verfügung gestellt wird". In Fällen, in denen kein qualifizierter Vermittler vorhanden ist oder LPP angewendet wird, müssen sich (Nicht-EU-)Steuerpflichtige in dem europäischen Mitgliedstaat melden, mit dem der engste EU-Inlandsbezug hergestellt werden kann, d. h. dort, wo sie (i) ansässig sind (ii) eine Betriebsstätte haben, die vom Konstrukt profitiert (iii) Einkünfte erzielt oder Gewinne erwirtschaftet oder (iv) eine Tätigkeit ausübt (je nachdem, welcher Mitgliedstaat zuerst eintritt).


Kennzeichen von meldepflichtigen Konstrukten unter DAC 6


Ein meldepflichtiges grenzüberschreitendes Steuerkonstrukt (die EU Terminologie gebraucht den Begriff Gestaltung) besitzt folgende Kennzeichen:


Kennzeichen A (allgemein)


(1) Vertraulichkeit (welche der Kunde dem Steuerplaner schuldet) oder (2) eine Kommissionszahlung proportional zum gesicherten Steuervorteil oder (3) Massenvermarktung mit standardisierter Dokumentation ("Plug and Play").


Kennzeichen B (spezifisch)


Steuerermässigung via (1) den Kauf eines verlustbringenden Unternehmens oder wenn (2) Einkünfte in Kapital, Schenkungen oder andere steuerarme/steuerfreie Einnahmen umgewandelt werden oder via (3) kreisförmige Transaktionen, die sich gegenseitig aufheben.


Kennzeichen C (grenzüberschreitende Zahlungen)


Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, bei denen der Empfänger (1) in keinem Land ansässig ist oder (2) in einem steuerfreien Land (< 1%) ansässig ist oder (3) in einem nicht kooperativen OECD-Land ansässig ist oder (4) vollständig von der besteuern oder (5) von einem begünstigten Steuersystem profitieren.


Situationen, in denen (6) ein Unternehmen zweimal Abschreibungsabzüge geltend machen kann oder (7) zweimalige Doppelbesteuerungserleichterungen geltend machen kann oder (8) Übertragungen von Vermögenswerten zwei unterschiedliche Beträge umfassen.


Kennzeichen D (Steuertransparenz)


CRS-Umgehung durch (1) künstliche Umklassifizierung passiver in aktive NFE oder (2) Nutzung von Nicht-CRS-Gebieten (USA, Montenegro usw.) oder (4) die Verwendung von Strukturen, die die Meldung von wirtschaftlich Berechtigten (BOs) / beherrschenden Personen vermeiden oder (5) durch Ausnutzung von Schwächen in den AML-Regelungen einer Bank oder eines Landes oder der Transparenzanforderungen eines Landes.


Vereinbarungen mit einer intransparenten Rechts- oder BO-Kette über Strukturen entweder (6) ohne wirtschaftliche Substanz oder (7) ausserhalb des Wohnsitzes des BO oder (8) mit nicht identifizierbaren BOs.


Kennzeichen E (Verrechnungspreise)


(1) die Anwendung einseitiger Safe-Harbor-Regeln oder (2) die Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Vermögenswerten oder (3) konzerninterne Übertragungen von Vermögenswerten, Funktionen oder Risiken, die das EBIT des Übertragenden um 50% reduzieren.


Main Benefit Test


Die Kennzeichen der Gruppe A und B (und bestimmte Elemente der Kennzeichen der Gruppe C) sind nur dann meldepflichtig, wenn die Erlangung eines "Steuervorteils" (vgl. Art. 4.2.) zu den Hauptvorteilen gehört, die eine Person vernünftigerweise erwarten kann (aufgrund objektiver Tatsachen).


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Bibliographie


Roy Rohatgi (2007) Basic International Taxation. Second Edition. Volume II: Practice (Taxman)


OECD (2015) Mandatory Disclosure Rules, Action 12 - 2015 Final Report (hier)


OECD (2018) Model Mandatory Disclosure Rules for CRS Avoidance Arrangements and Opaque Offshore Structures (hier)

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